Donnerstag, 20. Dezember 2012

Living with Cold Waters


Mein Aufenthalt in Nairobi (Maa fuer “Cold Waters”) neigt sich bereits seinem Ende zu. Ich glaube, es ist nicht falsch zu sagen, dass ich mich in diesen wenigen Tagen sehr an das Leben hier gewoehnt und sogar die afrikanische Zeit implementiert habe. Wie es das Sprichwort so schoen sagt, hat Gott den Europaeern die Uhr, den Afrikanern die Zeit geschenkt. Allerdings ist mir nicht immer klar, ob dies dem hiesigen Volk auch wirklich bewusst ist. Nicht wenig sehe ich die Leute in einem Zustand regungslosen Wartens verweilen und war daher nicht ueberrascht, als dieser Umstand in Kapuscinski’s Afrikanischem Fieber genau so wieder gegeben wurde. Ein Beispiel aus dem Alltag hatte sich sogleich nach meiner Ankuft an vergangenen Samstag ereignet, als wir auf der Suche nach einem funktionierenden Internetanschluss von Haus zu Haus zogen. Edwin kam mit, um uns die eine oder andere Tuer zu oeffnen und als wir schliesslich fuendig wurden, machte er nicht auf dem Absatz kehrt, sondern verweilte in eben diesem reglosen Warten gute zwei Stunden bis Ed und ich unsere Dinge erledigt hatten. Es war ein herrlicher Anblick.

Mit Edwin und Ed auf der Suche nach Internet.
Die Gespraeche der Menschen in der Stadt und auch in den Slums sind derzeit sehr gepraegt von den Wahlen. Kaum vergeht ein Tag and dem ich nicht in politische Diskussionen verwickelt werde. Manchmal suche ich auch aktiv den politischen Austausch. Kenya's Politik ist, anders als unsere, von Stammeskulturen gefaerbt und verfolgt daher primaer ethnische Ziele. Es geht weniger um das Ziel oder den Zweck einer Parteigruppierung, sondern vielmehr um Herkunft und historische Praegungen der Ethnie. So wird dir auch kein Politiker im Rahmen einer Neugruppierung eine Antwort auf deren Ziele geben koennen. Vielmehr wird er wahrscheinlich unwirsch antworten, dass diese zu einem spaeteren Zeitpunkt definiert wuerden.
Entsprechend waehlt man hier diese Personen, die dem eigenen Stamm angehoeren. Davon ausgenommen sind in der Regel gebildete Einwohner, welche ueber das Stammesprinzip hinausdenken. Nach dem Erlangen der Unabhaengigkeit Kenyas am 12. Dezember 1963 hat Jomo Kenyatta, Fuehrer der Kenya Afrikan Union und Angehoeriger des Landesgroessten, den Bantu zugehoerigen Kikuyu Stammes als erster Praesident das Land zu einem der fortschrittlichsten seiner Zeit gemacht. Erst nach der Machtuebernahme durch seinen Rivalen Daniel arap Moi 1978 (bis 2002) hat die Kikuyu die Fuehrung zugunsten der Stammesminderheiten verloren. Moi hat anders als Kenyatta das Einparteiensystem befuerwortet und innerhalb seiner Amtsperiode von ueber 20 Jahren einen Diktaturstaat errichtet. Die Wirtschaft und jeglicher Fortschritt war damit im Keim erstickt. Erst mit dem dritten und heute amtierenden Praesidenten Mwai Kibaki, Stammesbruder von Kenyatta, konnte sich das Land wieder erholen. Jedoch hat Kibaki’s Wiederwahl in 2007 zu heftigen Unruhen gefuehrt, da sich insbesondere der dem Staam der Luo zugehoerige Raila Odinga in seiner eigenen Kandidatur und damit der Machtergreifung durch die ethnischen Minderheiten betrogen fuehlte. Raila Odinga ist heute Praesidentschaftskandidat und wird groesstenteils von den Kibera-Bewohnern unterstuezt, welche schliesslich gut einen Drittel der Stadtbevoelkerung ausmachen.

Entsprechend wird Kibera heute hauptsaechlich durch die Angehoerigen des Luostammes dominiert. Dies war allerdings nicht immer so. Vielmehr wurde die Ansiedlung von den aus dem Sudan stammenden nubischen Soldaten gegruendet, welche unter der britischen Krone Land fuer die Kolonialmacht eroberten (King’s African Rifles). Die Gruender wurden aber nach und nach von Einwanderern anderer Ethnien in der Anzahl uebertroffen und verloren damit die kommunale Herrschaft in Kibera. Heute ist in den Slums von diesen Urspruengen nichts mehr zu spueren. Dies wurde bei den Gespraechen in einer "Bar" in Kibera, in der Nachtschichtarbeiter ihren Tag beim Trinken des lokal gebrauten "Changa Busa" verbringen, reflektiert. Ich wurde Zeuge von sehr amuesanten Szenen (leider kann ich das Video nicht uploaden, dafuer aber ein Foto).

Nachtschichtarbeiter beim Trinken.
Ich hatte die Gelegenheit, durch einen Freund von Ed eine Tour durch Kibera zu machen und war erstaunt, wie entwickelt das Gebiet ist. Es haben sich Geschaefte einen Namen und Ruf erschaffen, es wird mit Biogas Energie erzeugt und die Leute sind stets emsig und froehlich auf den Strassen. Natuerlich vermoegen die einzelenen wirtschaftlichen Unternehmen die flaechendeckende Armut nicht verdraengen, aber es ist der Anfang fuer eine progressive Slumentwicklung.


Mitarbeiter der Victorious Youth Group, welche Kuhknochen zu Schmuck verarbeiten.


Kleiner Junge beim Malen, Kunstatelier in Kibera.
Biogas Cenre
Vor rund zwei Jahren hat die Regierung beschlossen, die Lehmhuetten in den Slums durch einheitliche Hauser aus Stein zu ersetzen. So wurde die erste Hauserzeile am suedlichen Ende von Kibera erbaut und die Bewohner Kibera’s Zone A fuer einen monatlichen Zins von Ksh 3'000 in die Wohnungen verfrachtet. Im Gegenzug wurden deren Lehmhuetten und damit deren Zuhause, abgerissen. Die Betroffenen wollten diesen unrechtmaessigen, wenn auch gutgemeinten, Eingriff in ihr Eigentum nicht dulden und beschlossen kurzum, den Neubau trotz vorzueglichen sanitaeren Anlagen und robusteren Waenden zu verlassen, um zurueck in die gewohnlichen Baracken, ihre Heimat, zu ziehen. Clever wie sie sind haben sie Untermieter fuer die Steinhaeuser gesucht und erfreuen sich heute einer monatlichen Mehreinnahme von Ksh 3'000. Das Projekt ist bis heute on hold.

Die erste Etappe der durch die Stadt finanzierten Haeuser als Ersatz fuer die Slumhuetten.
Viele Bewohner leben aus freien Stuecken in Kibera. Es ist beispielsweise ueblich, dass Kenyaner nach dem Versterben ihrer Eltern deren Landbesitz erben. Doch viele Kenyaner, in der Hoffnung, den Breakthrough doch noch zu schaffen, lehnen das vorhersehbare, stoische Landleben zugunsten des Lebens in Kibera ab.

Diddy in seinem Zuhause (www.kiberaslumtours.wordpress.com).
Ich kann dies als Europaeerin wohl intellektuell nachvollziehen, kann mir aber ein Leben hier eher schlecht vorstellen. Die Lebensart jedoch, dieFroehlichkeit und die Bescheidenheit habe ich doch gerne angenommen. So war ich am Dienstag mit Sara und Tim, den beiden Englaendern aus dem Naboisho Conservancy, im Museum und anschliessend einen Happen essen. Sie bestanden darauf, dass ich einen Taxi zurueck nehme, da es bereits dunkel war. Der Taxi war ein einem Gelaendewagen aehnelnder Opel, welcher nebst meiner Hautfarbe mit Sicherheit zu zusaetzlicher unerwuenschte Aufmerksamkeit in Kibera fuehren wuerde. Um die beiden zu beruhigen nahm ich den Taxi bis zum mir nahe gelegenen Shopping Centre und stieg dort auf die ueblichen Matatus um. Es war mir instinktiv wohler. 

Zuhause ist es wunderbar. Wir kochen stets alle zusammen und ich lerne, wie ortsuebliche Gerichte auf einfachste Art und Weise zubereitet werden. Gerade am Montag hat es anlaesslich Bobo's Rueckkehr aus Uganda ein Festschmaus gegeben; es wurde Chapati zubereitet. 

Milgred beim Braten der Chapati in unserer Kueche.
Ich erfreue mich an der wachsenden Freundschaft mit Maureen. Maureen hat zwei Kinder, Ashley (7) und Bradley (3). Sie gibt ihr allerbestes, um sich und ihren Kindern die Schule zu finanzieren. Da gerade Schulferien sind und ich Lust hatte, den staedtischen Arboretum Park zu besichtigen, habe ich die drei spontan dazu eingeladen. Wir besorgten uns also Fruechte und Chips vom Stand vor der Tuer und machten uns auf in die “andere Welt” im Zentrum Nairobi's. 

Lokale Chips, hmmm ein Genuss!
Die Kinder haben den Park noch nie gesehen und es war ein ruehrender Anblick, wie die beiden herzhaft lachten und herum sprangen. Der lange Fussmarsch in der gleissenden Mittagssonne schien keinem der Kinder etwas ausgemacht zu haben. Wenn ich dabei an die schreienden und quaengelenden Kinder zuhause denke, verdienen Ashley und Bradley nur den groessten Repekt.

Zufriedene Ashley
Ein wunderbarer Nachmittag mit Maureen und Kindern.
In dieser Woche hatte ich auch die Gelegenheit, Sharon in ihrer morgentlichen Aufgabe mit behinderten Kindern/Teens zu helfen. Wir warn rund 12 Freiwillige, wobei ich die einzige "Msungu" (Weisse) war. Das Xavier Projekt verlangt drum von seinen Schuelern einen Beitrag an die Community. So konnte ich Waesche waschen, natuerlich von Hand bis die Finger schrumplig waren, Rueebli schaelen (mit dem Messer) und Reis sortieren und schwupps waren die drei Stunden schon um. Es fuehlte sich einfach gut an, den Morgen nicht schlummernd im Bett, sondern mit Benachteiligten sinnvoll verbracht zu haben.

Sharon und Innocent vom Sudan.
Diese Taetigkeiten und Einsichten machen mich natuerlich nicht zum Samariter, aber ich geniesse die Abwechslung zu meinem frueheren Job, den Unterschied, der eine kleine Geste machen kann und die Dankbarkeit der Betroffenen nach erhaltender Unterstuetzung sehr und werde von dieser Einstellung sicher ein grosses Stueck mit nach Hause nehmen. Aber ich bin immer noch ich und freue mich auch, in der kommenden Woche nach Tanzania weiterzuziehen, ein paar Tage dem Tourismus in der Serengeti zu froehnen und mir ein nettes Hotel zu nehmen.

Dies ist also mein letzter Beitrag aus Kenya, welches ich nach diesen drei Wochen wirklich nur ungern verlasse.

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