Sonntag, 9. Dezember 2012

Naboisho Concervancy


Liebe Blogleser

Sieben Tage bin ich draussen in der freien Wildbahn und es fuehlt sich an, als waeren es bereits Wochen. Die Abgeschiedenheit und die Ruhe lassen das Zeitgefuehl verschwinden.

Gestern hat sich die Zahl der Freiwilligen auf drei reduziert und wird sich in der kommenden Woche auf zwei beschraenken. Ab Samstag werde nur noch ich hier sein, fuer meine letzten drei Tage. Die Weihnachtszeit ruft alle heim und die lokalen Schulen machen zu. Der gestrige Abschied  dauerte seine Zeit, welche wir in der Mittagshitze auf einer Landebahn in der offenen Steppe verbrachten. Das Flugzeug hatte eine Stunde Verspaetung.

Olseki Airstrip

An das Warten oder das Ruhen in der Tagesmitte gewoehnt man sich und es gehoert zum Programm. Es ist schlicht unmoeglich, zu dieser Zeit auf irgendeine Art aktiv zu werden. In der Regel schlafen wir oder liegen einfach da, den Gedanken nachhaengend. Internet kann eine gute Beschaeftigung sein, ist jedoch aufgrund der schlechten Verbindung eher ein Stressfaktor. Entsprechend hatte ich bis zum heutigen Tag keinen Zugriff auf meine Emails und habe die Hoffnung auf den erfolgreichen Login zugunsten wertvoller Ich-Zeit aufgegeben. Sollte dieser Beitrag live gehen, so grenzt dies an ein kleines Wunder.

Unser Zuhause
Das Leben hier ist einfach, man geht in kleinen Schritten vorwaerts, sowohl privat als auch bei der  Arbeit. Entsprechend sind die Projekte auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Worum geht es? 

Vor rund zwei Jahren haben die im Suedwesten des Landes ansaessigen Masai ihr Land an die in Norwegen gegruendete Basecamp Foundation fuer eine befristete Zeit von 15 Jahren verpachtet. Dem Geschaeft lag die Absicht des Paechters zugrunde, das Land zugunsten der einheimischen Wildtiere von der anhaltend wachsenden Masai Bevoelkerung zu schuetzen und damit den teilweise gefaehrdeten Tierarten – insbesondere den Loewen – deren Lebensraum zu erhalten. Der Ort wurde Naboisho Conservancy getauft (Maa fuer “Zusammenkommen”).

Masai Mara Conservancies Map, roter Punkt signalisiert unser Camp.
Seit jeher haben die Masai und die einheimischen Wildtiere in einem stimmigen Neben- und Miteinander gelebt. Das Reissen einer Kuh durch eine Loewin wurde herkoemmlicherweise mit dem Tod des Wildtieres geraecht, wobei die einzelnen Vorfaelle dieser Art das natuerliche Gleichgewicht der Lebewesen nicht gestoert hatte.

Aufgrund des neu erworbenen Zugangs zur westlichern Medizin hat sich die Sterberate, insbesondere unter Masaikindern, stark vermindert, womit ein jaehrliches Wachstum von rund 8 % entstand. Mit dem Bevoelkerungswachsum geht das Wachstum der Kuhherden einher, welche das Korrelat zur westlichen Waehrung darstellt. Der natuerliche Kreislauf hat mit der Vermehrung der Masai sein Equilibrium verloren und in der Folge eine einschneidende Verminderung der Loewenpopulation bewirkt. Dies und andere Faktoren haben in Afrika zu einer Loewenpopulation von insgesamt 23’000 gefuehrt, waehrend in den Achzigerjahren noch rund 75’000 gezaehlt wurden. Jaehrlich sinkt die Anzahl um weitere 100.

Ein Grossteil unserer Arbeit ist es, die im Naboisho Conservancy ansaessigen Loewenstaemme als auch Elefantenfamilien zu zaehlen, deren Verhalten zu beobachten und Aufklaerungsarbeit unter den Masai zu leisten. Die Organisation African Impact, fuer welche ich arbeite, ist in diesem Zusammenhang der Provider von Arbeitskraeften zur Unterstuetzung der Basecamp Foundation und den hier ansaessigen lokalen Projekten (z.B. Elephant Voices, www.elephantvoices.org or Mara Naboisho Lion Project, www.mnlp.org). Daneben werden auch die uebrigen Tierbestaende gezaehlt und in einer Datenbank erfasst, um Analysen ueber das Vehalten der klassischen Beutetiere der Wildkatzen zu erhalten. Dabei gilt es insbesondere, deren Bestand zu erhalten, um Nahrung fuer die einheimischen Wildkatzen zu erhalten. Zu diesen Bestaenden gehoeren Giraffen, Zebras, Impalas, Thommson Gazelle, Nashoerner, Topi, Gnus, Wildfuechse, Strausse, Affen und weitere Arten von Anthilopen. Wir sind taeglich rund um diese Tiere und erleben diese respektive deren Laute auch nachts in unmittelbarer Reichweite unserers Camps.
Unser Buero, Esszimmer, Aufenthaltsraum und Konferenzzimmer in einem.
Das Beschraenken dieser Arbeit auf das Gebiet des Naboisho Conservancy ist sinnvoll, da durch die Kenntnis der einzelnen Individuen  der Tierstaemme deren Verhalten exakt analysiert werden kann. Nur so haben wir Kenntnis darueber, dass seit Entstehen des Protektorats  eine Vielzahl an Loewenbabies zur Welt kamen, die vorherrschenden maennlichen Loewen die Staemme zugunsten des Erhaltes eines gemischten Genpools gewechselt haben und die Koalition von sechs jungen Loewen mit groesster Wahrscheinlichkeit einen neuen Stamm gruenden wird. Durch das taegliche Identifizieren der Tiere und das Beaobachten ueber mehrere Stunden lernt man jedes einzelne Individuum kennen und kann bereits nach kurzer Zeit eine Verbindung zu ihnen herstellen, sie wachsen einem ans Herz. Zusammen mit der Weite der Steppe und der frischen Brise in der Abendsonne ist es nicht schwer, sich unweigerlich in dieses Land zu verlieben. Das Aufstehen jeden Tag um 6 Uhr in der frueh und das Hindaemmern in der Mittagshitze sind dagegen zu vernachlaessigende Preise, die man zahlt.





Fernab von jeglicher Romantik bringt das Beaobachten von Tieren ueber einen laengeren Zeitraum auch erschreckende oder amuesante Situationen mit sich. Gerade Elefanten sind dem Menschen eine gefaerliche Spezies, die bis heute unkontrollierbar bleibt. Gerade vorgestern hat uns ein junger Bulle trompentend aus seinem Revier verjagt, was aus unmittelbarer Naehe ohne jeglichen Schutz ungeheuer Eindruck macht. Dazu ist das juengste, sehr traurige Vorkommnis beispielhaft, als der Onkel unseres Campleaders den Angriff eines Elefanten mit dem Tod bezahlte. Grundsaetzlich jedoch sind Elefanten friedliebende Tiere, die lediglich in Notsituationen Menschen angreifen, beispielsweise wenn sie ihre Jungtiere bedroht sehen oder ihr Territorium nicht respektiert wird.


                    Die Unterscheidung zwischen maennlich und weiblich kann manchmal sehr einfach sein...

Nebst den zahlreichen Arbeiten mit Tieren haelt das Projekt auch andere Aufgaben fuer uns bereit. Freitag ist jeweils Community Work, das heisst es werden Dinge unternommen, die den umliegenden Doerfern und ihren Bewohnern nuetzlich sind. Mein erstes Community Projekt war das Bepflanzen der unlaengst gegruendeten Medizinischen Klinik. Dabei handelt es sich um ein in die Landschaft gepflanztes Gebaeude mit einem Behandlungsraum und einem Aufbewahrungsraum fuer Medikamente. Ein 25 Jahre junger Masai ist der Clinical Officer, er behandelt ortsuebliche Krankheiten wie Malaria und Lungenentzuendungen und betreibt Praeventionsarbeit im Hinblick auf die rasche Verbreitung von HIV.

                                                   HIV Praeventionsarbeit in der Klinik.

                                                     Bepflanzen mit Tim, Anna und Sara.

                   Olesere Community Clinic mit Clinical Officer (links) und unserem Teamleiter Lincoln (mitte).

Auf dem Rueckweg besuchten wir Nils und Crystel, zwei hier wohnhafte Europaeer, welche sich dem Loewenprojekt und der Unterstuetzung der Masai verschrieben haben. Seit gut einem Jahr leben sie zusammen in der fuer Masai typische Lehmhuette. Insbesondere mit Nils sind wir oft unterwegs und haben zusammen am Mittwoch die Geburt zweier Loewenbabies in offener Wildbahn miterleben duerfen. Er ist der Gruender des Mara Lion Projects.

                               Nils Morgensen, Gruender des Mara Naboisho Lion Project, vor seinem Zuhause.

Der Freitagabend wurde gross gefeiert, da es der Abschied beinahe aller Volonteers war. Die kommende Woche wird daher sicherlich ruhiger werden, aber moeglicherweise fuer mich interessanter, da ich als Einzelperson mehr involviert werden kann. Die Naechte hingegen werden etwas unangenehmer sein, so alleine im Busch, aber immerhin weiss ich die lokalen Mitarbeiter in unmittelberer Naehe in ihren Zelten.

Spasseshalber erwaehnte ich im Hinblick ab den Abschied der Volonteers das Verzehren einer Geiss, worauf am Freitag auf unsere Rueckkehr doch tatsaechlich eine Geiss neben dem Camp auf uns wartete und vor sich hin bloeckte. Im Folgenden wurden wir Zeuge einer Schlachtung mit allem drum und dran. Ich erspare Euch die entsprechenden Bilder, muss aber sagen, dass das Essen ein richtiger Festschmaus wurde und der monsunartige Regen (endlich!) der Stimmung keinen Abbruch tat. Ich war vor allem wegen dem herrlichen Rueblichueche ganz selig.


                       Crystel - rechts - ist Nils' Freundin und macht hier ihren PhD ueber die lokale Bevoelkerung.

Heute Sonntag (mittlerweile ist es zwar Mittwoch, das Internet daueret halt..) hieften wir uns um 6.30 Uhr aus den Federn, da wir eine Wanderung in den nahe gelegenen Huegeln zusammen mit vier Masai unternehmen konnten. Diese Wanderung wird in dieser Jahreszeit oft unternommen, da die Kuhherden in die Hoehe getrieben werden muessen, es in der trockenen und heissen Jahreszeit gruenes Gras und Buesche gibt. Die vier Stunden in der Natur waren begleitet vom anhaltenden Geschwasetz der Masai, kreuz und quer ueber unsere Koepfe, ohne Halt und ohne die Antwort des anderen abzuwarten. Ich versuchte ein paar Mal, mich in das Gespraech einzubringen - es ging mehrheitlich um die Wahlen im Maerz 2013 - habe dann aber aufgegeben, als das Handy als fuenfte Stimme schrillend in die Konversation eindrang (Videos der Wahlkaempfe). Es fuehlte sich an wie ein Herd voller Kanarienvoegel und liess unsere Koepfe schwirren. Wir waren am Ende hauptsaechlich geistig erschoepft, aber lachen sehr herzhaft darueber. Schliesslich waren sie richtig gute Fuehrer und haben auch geholfen, Anna’s Turnschuh zu flicken, natuerlich mit Speer und Dolch.


                  Ich lerne die ortsueblichen Waffen kennen, das Gift an der Pfeilspitze hatte einen ganz eigenen Geruch.

Heute wird es wieder regnen, die Wolken haengen tief und dunkel ueber uns und ich freue mich auf das Bett, die kuehle Luft und tiefen Schlaf.

Anmerkung von heute Mittwoch: Es regnet seit jenem Sonntag jeden Abend in Kuebeln. Gestern kamen wir fast nicht mehr in unser Camp zurueck, da die Feldwege derart unter Wasser standen und selbst die unsterblichen Land Cruiser von Toyota nicht mehr weiter kamen. Nun denn, wir habens geschafft. Und ja, in den Naechten laesst es sich so wirklich besser schlafen, dafuer suchen einem umso mehr die Traeume heim.

Die Regensaison ist uebrigens gute zwei Monate verspaetet. Auch hier findet also eine Klimaveraenderung statt. Fuer mich ist es wundervoll, die Trocken- (erste Woche) und Nassperiode (zweite Woche) zu erleben, die Landschaft veraendert sich quasi ueber Nacht. Heute ist die Savanne gruen und die Tiere laufen gluecklich und spielend ueber die Wiesen.

Hier noch ein letztes Stimmungsbild, welches keine 100 Meter vor unserem Camp and meinem ersten Tag aufgenommen wurde.
 

Also Ihr Lieben, ich melde mich baldmoeglichst wieder. Bis dahin, kwaheri, wakati mwema hadi wakati mwingine.

3 Kommentare:

  1. Dominique! Wie schön es ist dich auf deiner Reise begleiten zu können, alles tönt so fremd und spannend! Ich bin mit Herzen und in Gedanken bei dir. Deine Talaya *

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  2. liebes, es macht uns freude von dir zu hören und dann noch so viel positives und aufregendes! juhu! hab weiterhin viel spass und pass auf dich auf, löv j&j&c

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  3. Liebe Dominique, es freut üs immer wieder dini poetische und luschtig-ernschte "Blog" zlese, und mir sind froh dass es Dir guet goht. Da hisch ä herzigs Phöteli mit däe Chinder. Liebi Grüsse, en guete Rutsch und alles, alles Gute und Liebi im 2013.
    Feschti Umarmig und Küssli Ma+Pa

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